Wie kann ich was bewegen?

Wie kann ich was bewegen?

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Transkript Podcast “Wie kann ich was bewegen?”, Staffel 4, Folge 2:

Transkript Podcast “Wie kann ich was bewegen?”, Staffel 4, Folge 2: Wie kann ich was bewegen – bei Amnesty?

Raul Krauthausen:

"Wie kann ich was bewegen? Das ist ein Podcast und dein Weg in das politische Engagement, den wir zeigen. Zeige eine andere Möglichkeit, aktiv zu werden, für eine Sache einzutreten und sich zu beteiligen. Mein Name ist Krauthausen und ich bin Inklusionsaktivist. Heute frage ich: Wie kann ich was bei Amnesty International bewegen? Wenn ich über Amnesty International spreche, werde ich immer nachdenklich. Einerseits hat mich die Arbeit von Amnesty immer schon fasziniert, aber andererseits fühlt es sich für mich auch immer sehr weit weg an. Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als ich dachte, für Amnesty wäre ich zu unerfahren oder zu dumm. Irgendwie kam mir der Laden immer ziemlich akademisch vor und ich wollte doch etwas bewegen, nicht nur diskutieren. Wir haben mit Lisa gesprochen. Sie ist Vorständin von Amnesty International in Deutschland.”

Lisa Nöth:

Lisa Nöth: Das Vorurteil ist entstanden aus einer gewissen Historie, würde ich sagen. Die ist auch gar nicht unwahr, weil wir waren und sind auch jetzt noch ein Verein, der stark geprägt ist von Akademikerinnen. Und ich sage jetzt mal, die grundsätzliche Basis für unsere Arbeit ist auch eine Recherche, die aus dem Völkerrecht basiert. Das ist schon sehr akademisch. Das muss man auch sagen. Es gibt aber verschiedene Optionen, wie man sich einbringen kann, und es gibt verschiedene Bindeglieder. Das Ganze findet dann quasi so statt, dass wir eine initiale Recherche haben und zum Beispiel einen Bericht zu einem bestimmten Thema, zu den Rechten von LGBTIQ-Menschen in Nigeria. Und diesen Bericht nehmen wir dann in der Gruppe, schauen uns den an und brechen ihn dann runter auf gewisse Aktionen, die man daraus machen kann, auf Protestaktionen, vielleicht auf Briefe, die man machen kann, auf Social-Media-Aktionen. Und ich hoffe einfach, dass wir quasi diese Aktionen, die wir dann so runterbrechen, dass die auch bedeutend einfacher zugänglich sind für alle Menschen und dann diesen juristisch akademischen Grad dann auch ein bisschen verlieren. Weil für den Aktivismus braucht man wirklich klare Nachrichten und gut zugängliche Botschaften, die man dann auch weitergeben kann. Wir haben auch Menschen, die für uns Social-Media-Kanäle betreiben, für die Gruppen, die die Social-Media-Kanäle machen. Auch dafür, da muss man jetzt sagen, braucht man nicht zwangsweise ein Politikstudium oder ein juristisches Studium. Bei den Aktionen sind auch ganz viele Menschen dabei, die dann eben ganz wichtige Sachen übernehmen, die dann sich hinstellen und Unterschriften sammeln oder bei den Demonstrationen mitlaufen und die Plakate mit halten. Es gibt da verschiedene Bereiche, in die man sich einbringen kann, wo man kein Studium in bestimmten Wissenschaften braucht, um damit aktiv zu werden.

Raul Krauthausen:

Raul Krauthausen: Amnesty International, das sind Menschen, die weltweit für die Menschenrechte kämpfen, sie setzen sich unermüdlich für positive Veränderungen ein.

Lisa Nöth:

Wenn wir uns gerade mit Protestbewegungen auseinandersetzen, von der letzten Generation, da wissen wir zum Beispiel, dass wir das Demonstrationsrecht als Grundrecht, als Menschenrecht, dass wir uns damit auseinandersetzen. Und vielleicht ist es jetzt im Moment vielen Leuten nicht so bewusst, wie zum Beispiel, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung. Und deswegen hat es immer so ein bisschen was mit der Situation zu tun, in der man sich gerade befindet. Also dass man zum Beispiel sagt, vielleicht ist die Gleichheit manchen Menschen eher bewusst. Oder vielleicht ist also das Recht auf freie Liebe auch Menschen eher bewusst, wenn sie in einer bestimmten Situation sind. Und das finde ich total okay. Es ist ganz normal, dass man je nachdem, an welcher Stelle man sich in seinem Leben auch befindet, dass bestimmte Sachen irgendwie mehr Präsenz und mehr Priorität haben und andere Themen vielleicht später dann dazukommen oder zu denen kommt man dann, wenn man sich mit bestimmten Themen dann auch beschäftigt und feststellt: Oh, Antidiskriminierung ist total wichtig und ich spüre es selber, wenn ich mich im Berufsleben begebe und feststelle, dass nicht nach Geschlecht diskriminiert werden sollte. Aber ich verstehe auch, dass nicht nach Herkunft diskriminiert werden sollte und genau deswegen verschiedene Themen sind zu verschiedenen Zeitpunkten glaube ich zugänglich oder nicht. Amnesty International ist eine Bewegung, die von Menschen wie dir und mir getragen wird und die vor allem für Aktionen und konkretes Handeln steht. Gerade wenn es zu bestimmten Krisen kommt, wie zum Beispiel die jetzt andauernde furchtbare menschenrechtliche Situation im Iran, ist es natürlich sehr wichtig, dass die Zivilbevölkerung zu diesen Themen auch stetig laut bleibt. Und das bedeutet, dass wir eben eine Mahnwache brauchen. In einer Woche und in der nächsten Woche brauchen wir noch eine Demonstration. Und in der darauffolgenden Woche brauchen wir noch eine Kundgebung vom Bundestag. Und das bedeutet dann, wenn es zu solchen Krisen kommt, dann steckt da wirklich sehr viel Aktivismus und viel Zittern auf der Straße, weil es November ist. Und wir stehen da für sechs Stunden und die Füße sind durchgefroren. Mitmachen bei Amnesty ist auch nicht halb so schwer, wie ich es mir vorgestellt habe. Du kannst sie natürlich supporten, sowohl finanziell als auch durch deine Stimme, Unterschrift usw. oder als aktives Mitglied einer Amnesty-Gruppe. Denn ohne das ehrenamtliche Engagement von so vielen Menschen könnte die Arbeit von Amnesty International gar nicht funktionieren. Es gibt da verschiedene Möglichkeiten, wie man bei Amnesty mitmachen kann und das ist so ein bisschen abhängig davon, wie viel Zeit du zum Beispiel hast. Wenn du zum Beispiel sagst: Ich habe jetzt gar nicht so viel Zeit, aber es gibt da einen Fall, den ich unterstützen möchte. Da kann ich zum Beispiel eine Onlinepetition unterschreiben oder wenn ich sage, ich habe vielleicht an dem und dem Tag noch nichts vor und ich weiß, da ist eine Demonstration, da kann ich zu einer Demonstration gehen, wo vielleicht auch Amnesty-Gruppen mitlaufen, die das organisieren, die immer mal wieder dazu aufrufen oder zu einer Mahnwache, die wir auch öfter organisieren. Und wenn du jetzt sagst: Du hast aber ein bisschen mehr Zeit, tatsächlich möchte ich mich vielleicht regelmäßig engagieren, dann kannst du einer Gruppe beitreten, einer lokalen Gruppe, die sich immer mal wieder mit verschiedenen Aktionen auseinandersetzt. Oder auch einer Themen- oder einer Ländergruppe, die sich speziell mit bestimmten Themen auseinandersetzt und die dann zum Beispiel aufbereitet, damit die lokalen Gruppen Aktionen damit veranstalten können.

Raul Krauthausen:

Raul Krauthausen: Menschenrechte? Das klingt immer so, als ginge es um das Recht von ganz weit entfernten Menschen. Dabei geht es um deine Rechte. Menschenrechte, das meint uns alle. Es sind unsere grundlegendsten Rechte und sich dafür einzusetzen, dass diese Basics des friedlichen Zusammenlebens eingehalten werden, das sollte fast selbstverständlich sein, oder? Dann lass uns das tun. Auch du kannst Teil von Amnesty werden und dich für den Schutz der Menschenrechte einsetzen. Dabei spielt es keine Rolle, ob du viel Erfahrung hast oder gerade erst anfängst. Dein Einsatz ist wirksam und gemeinsam können Menschen wie du im Leben anderer Menschen einen großen Unterschied machen.

Lisa Nöth:

Lisa Nöth: Hier in der Sektion, in der deutschen Sektion, auch hier haben wir Leute, die inhaltlich arbeiten. Und dann haben wir aber auch ein großes Team, das sich quasi nur mit dem Thema Kampagnen und Aktivismus auseinandersetzt. Und die müssen natürlich sehr gut zusammenarbeiten. Und genauso ist es auch im Ehrenamt. Es gibt auch im Ehrenamt quasi Gruppen und Menschen, die inhaltliche Sachen vorbereiten. Und dann gibt es sehr viele lokale Gruppen, die dann mehr auf der Straße sind und die dann die Aktionen umsetzen und die dann bei Protesten dabei sind. Und idealerweise arbeiten die auch sehr eng zusammen. Die einen geben die Inhalte weiter, die anderen schauen dann, dass sie die Menschen dann bekommen, um eine gute Aktion durchführen zu können. Also mischt sich das hoffentlich ganz gut. Ich glaube, was man auf jeden Fall mitbringen muss, ist ein gewisses Maß an Empathie und auch Güte und auch Geduld, weil man in einer ehrenamtlichen Organisation ist. Und das bedeutet, Menschen haben nur eine begrenzte Anzahl an Zeit, die sie auch einbringen können. Und das muss man verstehen und das muss man auch respektieren.

Und man braucht auch ein gewisses Durchhaltevermögen, weil gesellschaftlicher Wandel funktioniert meist nicht von jetzt auf gleich. Und deswegen ist es bestimmt frustrierend manchmal, wenn man sagt: Ich kämpfe seit fünf Jahren für dieses Thema und ich sehe noch keinen Fortschritt, deswegen baut ein gewisses Durchhaltevermögen, würde ich sagen und aber auch ein bisschen einfach Humor und Lust, das zu machen.

Und man braucht auch ein gewisses Durchhaltevermögen, weil gesellschaftlicher Wandel funktioniert meist nicht von jetzt auf gleich. Und deswegen ist es bestimmt frustrierend manchmal, wenn man sagt: Ich glaube, es gibt viele tolle Organisationen, in denen man sich engagieren kann. Und ich persönlich finde, dass Amnesty eine großartige Organisation ist, wo man sich, wo man sich über lange Zeit, aber auch über kurze Zeit einbringen kann. Ich glaube, was ich den Menschen mitgeben würde, ist, ob es eine Sache gibt, die sie einfach innerlich nicht in Ruhe lässt, die sie wirklich wütend macht.

So wütend, dass man sagt: Ich kann jetzt nicht mehr still sitzen. Und wenn dieses Thema ein Thema ist, wo wir aktiv sind, dann würde ich zu der Person sagen Dann komm zu uns und dann komm mit uns auf eine Demonstration und es hilft, wenn es ein Thema ist, wo wir vielleicht nicht die besten sind, wo wir sagen, das ist ein Thema, damit beschäftigen wir uns nicht so viel, dann würde ich sagen: Du musst nicht zwangsweise zu uns kommen. Es gibt andere Organisationen, die vielleicht einen anderen Fokus haben. Aber wenn wir sagen, das Thema Menschenrechte und Menschenrechte im globalen globalen Umfeld interessieren dich wirklich und du willst sehen, wie das alles zusammenhängt und Solidarität hier in Deutschland zeigen. Für andere Länder auch. Dann würde ich den Leuten sagen wir können da, wir können da was machen und wir sind da globale Bewegung, die da wirklich gut was ausrichten kann.

Raul Krauthausen:

Raul Krauthausen: Wie sieht das freiwillige Engagement bei Amnesty aber aus? Durch deine aktive Mitgliedschaft kannst du dabei helfen, Menschen aus der Haft zu befreien, indem du dich in vielen Ländern der Welt für bedrohte und verfolgte Aktivistinnen und Aktivisten einsetzt. Du kannst dazu beitragen, indem du mit Briefen und Aktionen, drohende oder tatsächliche Verweigerung anprangerst und andere zum Mitmachen motivierst.

Raul Krauthausen: Oder du möchtest sich dafür einsetzen, politischen Flüchtlingen Schutz zu gewähren, indem du in einer ihrer Gruppen mitmachst oder dich von Amnesty zum Asyl-Berater schulen lässt. Du kannst auch aktive Menschenrechtsverteidiger unterstützen, indem du öffentliche Aufmerksamkeit für gut dokumentierte Einzelfälle schaffst. Du kannst Presse und Öffentlichkeit mobilisieren, indem du in deiner Stadt Veranstaltungen und Aktionen zu weltweiten Kampagnen von Amnesty International organisierst.

Raul Krauthausen: Und das ist noch längst nicht alles. Es gibt viele weitere Wege, wie du dich für die Menschenrechte einsetzen kannst. Und da wirst du bei Amnesty Teil einer weltweiten Gemeinschaft von über 10 Millionen Menschen, die sich mit Leidenschaft und Entschlossenheit für menschliche Grundrechte einsetzen. Und du kannst jetzt sofort anfangen. Beteilige dich an einer Onlinepetition, helft akut bedrohten Menschen oder schreibe Briefe für gewaltlose politische Gefangene.

Raul Krauthausen: Und das alles von zu Hause aus.

Lisa Nöth:

Lisa Nöth: Und die lokalen Gruppen, die sind schon sehr autonom. Die planen ihre Aktionen. Wenn die sagen, das ist menschenrechtlich relevant, da sind die vielleicht vor Ort und informieren dazu, machen eine Veranstaltung dazu. Also die machen sehr viel autonome Sachen.

Lisa Nöth: Wenn wir Aktionen haben, die jetzt, auch eine gewisse Reichweite haben und dann vielleicht auch Pressestimmen mit dazukommen und sowas, dann versuchen wir uns natürlich immer gegenseitig zu informieren. Idealerweise sagen die Gruppen hier in unserer Zentrale quasi Bescheid, wenn irgendwas Größeres ist oder so was, wie eine öffentlichkeitswirksame Veranstaltung. Da wissen wir dann schon, was passiert. Aber die Gruppen sind schon sehr autonom und machen dann spontan auch eine Demonstration, wenn es zu irgendwelchen Themen kommt.

Lisa Nöth: Die treffen sich einmal im Monat für 2 bis 3 Stunden und dann werden eben auch Aktionen geplant. Wenn es vielleicht um bestimmte Tage handelt, kann es sein, dass es dann natürlich ein bisschen mehr Arbeit gibt. Wir haben zum Beispiel eine tolle Gruppe, die zu Menschenrechtsverletzungen an Frauen arbeitet. Und wenn es da bestimmte Tage gibt, wie jetzt zum Weltfrauentag zum Beispiel, oder den Menstruations-Tag und die da Aktionen vorbereiten, dann ist um den Tag herum, mehr zu tun.

Lisa Nöth: Aber so durchschnittlich würde ich sagen, ist es wahrscheinlich einmal im Monat für ein paar Stunden und dann vielleicht noch die Aktion, die dann dazu kommt, auch wahrscheinlich einmal im Monat mit so vielleicht vier Stunden.

Raul Krauthausen: Die Ursprünge von Amnesty International reichen bis ins Jahr 1961 zurück. In einer Zeit, in der die Welt ähnlich stark wie heute von Ungerechtigkeit und Menschenrechtsverletzung geprägt war.

Raul Krauthausen: Damals nahm der englische Rechtsanwalt Peter Benson seinen Mut zusammen und startete einen eindringlichen Aufruf, der in der Zeitung The Observer veröffentlicht wurde. Dieser Aufruf war ein Weckruf, der viele Menschen auf der ganzen Welt berührte. Peter Benson war zutiefst erschüttert von den Berichten über Menschenrechtsverletzungen und politische Gefangene, die unter unmenschlichen Bedingungen lebten. Seine Empörung trieb ihn dazu, Amnesty International zu gründen.

Raul Krauthausen: Diese Akt der Empathie und Entschlossenheit war also die Geburt einer weltweiten Bewegung für die Menschenrechte. Seit diesen bescheidenen Anfängen hat sich Amnesty zu einer unerschütterlichen Stimme für die Unterdrückten und Ausgegrenzten entwickelt. Amnesty kämpft mit Leidenschaft und Entschlossenheit für Gerechtigkeit und Würde. Dabei hat Amnesty nicht nur große politische Themen im Blick, sondern auch die konkrete Hilfe für Einzelpersonen, die Opfer von Menschenrechtsverletzungen sind.

Raul Krauthausen: Die Arbeit von Amnesty hat im Laufe der Jahre zahllose Leben verändert und Hoffnung zu denjenigen gebracht, die in der Ungerechtigkeit gefangen waren. Die Arbeit von Amnesty hat viele verschiedene Formen. Ein zentrales und bewegendes Element ihrer Arbeit ist die Fallarbeit. Ein Herzstück ihrer Mission. Dabei geht es nicht allein um die rechtliche Unterstützung für politische Gefangene, sondern auch um den persönlichen Beistand und die Hoffnung, die jemand braucht, der irgendwo in Gefangenschaft auf ein Signal wartet.

Raul Krauthausen: Die Fallarbeit bei Amnesty International bedeutet, dass jedes individuelle Schicksal, jeder Einzelfall als Indikator betrachtet wird. Es ist eine Erinnerung daran, dass hinter jeder traurigen Geschichte ein Mensch steht, der geliebt wird, der Familie und Freunde hat und dessen Rechte und Würde respektiert werden müssen. Diese Einzelschicksale, die oft vergessen oder übersehen werden, finden bei Amnesty Gehör und werden nicht in der Anonymität der Ungerechtigkeit verloren.

Raul Krauthausen: Ein weiteres beeindruckendes und äußerst effektives Instrument von Amnesty International sind die sogenannten Urgent Actions. Dabei handelt es sich um außerordentliche, rasche und koordinierte Maßnahmen, die in nur 48 Stunden aktiviert werden. In dieser kurzen Zeit jedoch und Unterstützerinnen und SympathisantInnen auf der ganzen Welt zu mobilisieren und gemeinsam gegen drohende Menschenrechtsverletzungen zu protestieren. Diese Actions sind ein lebhaftes Beispiel dafür, wie entschlossen kraftvoll die weltweite Gemeinschaft von Amnesty International agieren kann.

Raul Krauthausen: Sie sind ein Beweis dafür, dass die Organisation nicht nur redet, sondern auch handelt, wenn es darum geht, Leben zu retten und positive Veränderungen inmitten von Krisen herbeizuführen. In diesen entscheidenden 48 Stunden werden E-Mails, Direkt-Nachrichten, Briefe und andere Kommunikationsmittel eingesetzt, um den Behörden der betroffenen Staaten auf die akuten Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen. Diese massive und schnelle Protestwelle kann auf den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten und hat bereits in zahlreichen Fällen dazu beigetragen, Menschen vor schwerem Unrecht zu schützen und Veränderungen herbeizuführen.

Raul Krauthausen: Es ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie effektiv kollektive Aktion sein kann. Nun möchte ich aber näher auf einen äußerst besorgniserregenden Fall eingehen, der exemplarisch für die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen im Iran steht. In den vergangenen Jahren haben die iranischen Behörden viele Bürgerinnen und Bürger mit doppelter Staatsangehörigkeit inhaftiert. Diese Menschen stammen aus verschiedenen Ländern und haben oft auch den iranischen Pass.

Raul Krauthausen: Unter den betroffenen Journalistinnen, Akademikerinnen und Menschenrechtsverteidiger. Sie alle werden willkürlich und ohne rechtliche Grundlage von den iranischen Behörden festgehalten. Diese Inhaftierungen sind besonders besorgniserregend, da sie nicht nur das Leben der Betroffenen unmittelbar beeinflussen, sondern auch als politisches Druckmittel eingesetzt werden. Die iranischen Behörden nehmen gezielt Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit ins Visier, um politische Ziele zu verfolgen und Druck auf andere Länder auszuüben.

Raul Krauthausen: Dieses Vorgehen steht im Widerspruch zu grundlegenden menschenrechtlichen Prinzipien und stellt eine eklatante Verletzung der individuellen Freiheit und Sicherheit dar. Die internationale Gemeinschaft hat die willkürlichen Inhaftierungen von Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit im Iran mehrfach verurteilt und die Freilassungen dieser Gefangenen gefordert. Dennoch setzen die iranischen Behörden ihre fragwürdigen Praktiken fort und die Gefahr, dass weitere Menschen unschuldig inhaftiert werden, bleibt bestehen.

Raul Krauthausen: Eine dieser Gefangenen ist Nahid Taghavi. Sie wurde allein wegen der friedlichen Ausübung ihrer grundlegenden Rechte auf freie Meinungsäußerung inhaftiert. Nahid Taghavi ist eine mutige Frau, die sich für die Rechte von Frauen und die Förderung der Geschlechtergleichstellung eingesetzt hat. Sie hat sich für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen im Iran stark gemacht und friedliche Aktivitäten zur Unterstützung dieser wichtigen Tiere durchgeführt. Ihre Inhaftierung zeigt, wie gefährlich es im Iran sein kann, sich für grundlegende Menschenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter einzusetzen.

Rednerin auf Demonstration:

Rednerin auf Demonstration: Wir sind heute hier am 16. Oktober 2023, weil heute der dritte Jahrestag der Inhaftierung von Nahid Taghavi ist. Am 16. Oktober 2020 wurde Nahid Taghavi verhaftet. Sie wurde einem unfairen Scheinprozess unterzogen und zu zehn Jahren Haft verurteilt. Daran wollen wir heute erinnern.

Redner auf Demonstration:

Redner auf Demonstration: Nach 1095 Tagen, mit kurzer Hafturlaub-Unterbrechung, ist Nahid Taghavi weiter im berüchtigten Evin-Gefängnis inhaftiert. 1095 Tage, die das iranische Regime aus ihrem Leben raubt. Über 1000 Tage, die ihre Familie um sie bangt und über 1000 Tage, an denen Nahid Taghavi wie viele andere im Iran noch einmal mehr kämpfen muss.

Raul Krauthausen:

Raul Krauthausen: Von ihrer Verhaftung bis zur Verurteilung verbrachte Nahid Taghavi mehr als sieben Monate in Isolationshaft. Die Haftbedingungen waren grausam und unmenschlich. Sie musste ohne Bett und Kissen auf dem Boden schlafen oder rund um die uhr überwacht und durfte nur 30 Minuten pro Tag mit Augenbinde an die frische Luft. Diese Begegnungen hinterlassen tiefe Spuren. Der Gesundheitszustand von Nahid Taghavi hat sich erheblich verschlechtert. Sie hat Diabetes entwickelt und leidet an Bluthochdruck. Ihre Wirbelsäule ist geschädigt und sie benötigt dringend eine Operation.

Raul Krauthausen: Am 19. Juli 2022 wurde leider Nahid Taghavi aus medizinischen Gründen in den Hafturlaub entlassen. Doch bereits am 13. November 2022 musste sie zurück ins Evin-Gefängnis für politische Gefangene, obwohl ihre medizinische Behandlung noch nicht abgeschlossen war. Die Situation ist äußerst besorgniserregend. Die prominente Menschenrechtsverteidigerinnen Nargis Mohammadi hat sich am 4. Juni 2023 per Brief an die Öffentlichkeit gewandt, um über den sich enorm verschlechternden Gesundheitszustand der Zellengenossen Nahid Taghavi zu berichten.

Raul Krauthausen: Nahid Taghavi hat so starke Schmerzen, dass sie kaum mehr aus dem Bett aufstehen kann und starke Schmerzmittel injiziert. Sie leidet an tauben Fingern und starken Schmerzen in ihrem Nacken, am Rücken und an den Händen.

Mariam Claren, Tochter von Nahid Taghavi, auf der Demonstration:

Mariam Claren, Tochter von Nahid Taghavi, auf der Demonstration: Ich will auch mich als allererstes bei allen bedanken, die heute hier sind, insbesondere Amnesty International, die Aktivistinnen hier aus Berlin. Ich weiß, dass das alles nicht selbstverständlich ist, in einer Zeit, wo es die ganze Region, aus der wir kommen, mittlerweile zu einem Krisenherd geworden ist. Wir haben Afghanistan, wir haben jetzt Palästina, wir haben Israel, wir haben den Iran.

Mariam Claren, Tochter von Nahid Taghavi, auf der Demonstration: Wo sollen wir überhaupt anfangen? Deswegen bin ich umso dankbarer, dass Sie heute trotzdem alle die Zeit sich genommen haben, um diesen Tag mit mir gemeinsam an die Verhaftung meiner Mutter zu gedenken. Ich habe mich auf diesen Tag heute nicht vorbereitet und auch keine Rede vorbereitet, weil ich nicht wusste, wie es mir heute gehen wird. Die meisten, die mit mir zusammen arbeiten, wissen, dass ich sehr gut mit dieser Krise umgehen kann und auch das Beste versuche, rauszuholen.

Mariam Claren, Tochter von Nahid Taghavi, auf der Demonstration: Die Wahrheit ist aber, dass solche Tage sehr, sehr schwer sind. Das letzte Mal, dass ich mich unbeschwert und frei gefühlt habe, war vor drei Jahren um diese Zeit, weil da war meine Mutter noch in Freiheit. Ich befand mich im Urlaub und meine Mutter war in Teheran und wir haben mittags miteinander telefoniert und ich hätte nie gedacht, dass wenige Stunden später mein Leben sich so verändern wird und alles auf den Kopf gestellt wird und ich drei Jahre später auf der Bühne vom Bundestag stehen werde und immer noch darüber sprechen muss.

Weil das, was unserer Familie widerfahren ist, ist kein Einzelschicksal. Dass das, was meiner Mutter passiert ist, kein Einzelschicksal. Und das ist auch wichtig, es nicht als ein Einzelschicksal zu betrachten und in Selbstmitleid zu zerfließen oder zu denken: Warum ich? Weil Angst und Verzweiflung sind die schlechtesten Berater, die man in dem Fall haben kann. Was ich versucht habe zu machen, ist diese Angst, die ich habe und hatte und jeden Tag habe umzuwandeln in positive Energie und vor allem auf das größere Ganze zu schauen.

Rednerin, Amnesty, Demonstration:

Rednerin, Amnesty, Demonstration: Vielen Dank, liebe Mariam. Wir stehen heute hier, weil es der dritte Jahrestag der Verhaftung deiner Mutter ist. Sie sitzt seit drei Jahren im ewigen Gefängnis und du, liebe Mariam, sprichst über alle anderen und du denkst an alle anderen und du kämpfst für alle anderen. Ich finde das unglaublich beeindruckend. Ich bin so alt wie Maria. Meine Mutter ist so alt wie sie.

Rednerin, Amnesty, Demonstration: Die Vorstellung ist … Ja, Ich hör an dem Punkt auf. Ich … Ich … Vielen, vielen Dank, Mariam.

Lisa Groß:

Lisa Groß: Ich bin Lisa Groß ich bin Pressereferentin bei Amnesty International in Deutschland und verantworte mit meinem Team auch zusammen mit Leuten aus dem anderen Team, unter anderem auch die Iran-Arbeit von Amnesty Deutschland. Heute, am 16. Oktober, istNahid Taghavi, Menschenrechtsaktivistin, Frauenrechtlerin aus dem Iran, nun seit drei Jahren inhaftiert im ewigen Gefängnis in Teheran. Wir stehen hier heute vor dem Paul Löbe Haus vor dem Bundestag, zusammen mit ihrer Tochter Mariam, um erneut von der deutschen Bundesregierung zu fordern, dass sie sich mehr dafür einsetzen, dass Nahid Taghavi endlich aus Haft freigelassen wird und wir sie nach Hause nach Köln holen können.

Raul Krauthausen:

Raul Krauthausen: Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die internationale Gemeinschaft auf solche Missstände aufmerksam macht und Druck auf die iranischen Behörden ausübt und die Freilassung von Menschen zu erreichen und sicherzustellen, dass die Grundrechte und Menschenrechte aller Bürgerinnen und Bürger respektiert werden. Das Besondere an Amnesty ist, dass es hier auch, aber eben nicht nur, um die große politische Ebene geht. Nein, bei Amnesty geht es auch um ganz konkrete Hilfe für Einzelpersonen, die Opfer von Menschenrechtsverletzungen sind, zum Beispiel.

In den meisten Fällen sind dies sogenannte politische Gefangene, also meist Menschen, die unter inhumanen Haftbedingungen leiden. Menschen, die Opfer von Folter oder Diskriminierung sind. Menschen, die aufgrund ihrer friedlichen Aktivitäten verfolgt werden. Für diese Menschen setzt sich Amnesty International mit aller Kraft ein. Wir haben Lisa Nöth gefragt: Wie belastend ist die Arbeit bei Amnesty International? Wenn man sich ständig mit so schrecklichen Schicksalen auseinandersetzen muss?

Lisa Nöth:

Lisa Nöth: Ich habe da drüber nachgedacht, als ich, als ich angefangen habe, hier zu arbeiten, da war das Thema, zu dem ich gearbeitet hatte, die Entführung von Mädchen in Nigeria. Und das war wirklich sehr belastendes Material, dass ich da gesehen habe, die Berichte, die Bilder, und trotzdem war das ein Thema, das ich einfach auch danach, als ich nicht mehr hier gearbeitet habe … Ich konnte das nicht ablegen. Ich wusste immer, dass gewisse Sachen passieren, dass Ungerechtigkeiten statt finden. Und deswegen war es für mich besser, dass ich damit umgehen konnte, indem ich angefangen habe, politisch aktiv zu werden. Als wenn ich gewusst hätte, ich les das nur und lese es nur und fühle mich so ohnmächtig, dass ich nichts machen kann.

Lisa Nöth: Der politische Aktivismus und auch andere Menschen, die politisch aktiv werden, diese Gruppe, die man da hat, die führt auch dazu, dass man sich da ein bisschen aufgehoben fühlt, dass man sich nicht so allein fühlt in dieser Ohnmacht gegenüber Ungerechtigkeiten, die passieren. Und da bilden sich dann je nach nach Land zum Beispiel oder je nach Thema wirklich Krisengruppen, die diese Themen dann bearbeiten.

Lisa Nöth: Und es ist ein Zusammenspiel aus dem Team, das dazu Aktionen plant, das Kampagnen macht mit dem internationalen Team und den internationalen Kolleginnen, die dann auch in London sitzen und dann, dann reagieren und dem Team vor Ort und dann so gut es geht auch eine schnelle Kommunikation an unsere ganzen ehrenamtlichen Mitglieder, damit auch die spontan zu bestimmten Themen reagieren können.

Lisa Nöth:

Lisa Nöth: Also ich muss sagen, bei uns wird sehr viel gelacht. Auch ich habe fantastische Kolleginnen, auch im Vorstand, die ja auch sehr viel Verantwortung tragen und trotzdem sind wir wirklich auch eine alberne Gruppe, muss man ehrlicherweise sagen. Und weil wir alles ehrenamtliche Mitglieder auch sind, fällt einfach viel persönliches in diese Arbeit mit rein. Man teilt viele Sachen aus dem Persönlichen und da kommt es einfach ganz natürlich dazu, dass man sich austauscht und dass man auch über Sachen redet, die einem jetzt nicht nur total auf die Stimmung schlagen.

Lisa Nöth: Und wir haben auch regelmäßige Treffen, haben unsere Jahresversammlung, Mitglieder-Konferenze und so weiter. Und da schaffen wir es auch, dass wir dann eine Kneipe am Abend organisieren und dass wir gemeinsam zu einer Aktion gehen und da ist eigentlich die Stimmung recht gut. Immer. Wir vergessen natürlich nicht, dass wir ernste Themen haben, zu denen wir arbeiten. Aber die Gesellschaft macht es dann noch immer ein bisschen wieder wett.

Raul Krauthausen:

Raul Krauthausen: Die Arbeit von Amnesty lebt davon, dass Menschen sich ehrenamtlich beteiligen. Diese Menschen arbeiten sowohl lokal als auch global, um ihre Ziele zu erreichen. Für ihren Einsatz brauchen sie Mut, Kraft und Kreativität. Alles für eine Welt ohne Menschenrechtsverletzungen. Dabei arbeiten sie mit einem Netzwerk zusammen. Die haben Kontakte zu Opfern von Menschenrechtsverletzungen und deren Angehörigen sowie zu Ärztinnen und Ärzten, Anwältinnen und Anwälten sowie Journalistinnen und Journalisten weltweit.

Raul Krauthausen: Amnesty International setzt sich mit verschiedenen Mitteln wie Urgent Actions, Briefen, Appellen, Medienarbeit und öffentlichkeitswirksamen Kampagnen sowie Lobbyarbeit bei Regierungen, Institutionen und Unternehmen für Gerechtigkeit ein. Ziel ihrer Arbeit ist es, Verzweiflung in Hoffnung zu verwandeln und Mitgefühl in konkretes Handeln umzusetzen. Dabei betont die Organisation, dass jeder Einzelne etwas bewirken und Veränderung herbeiführen kann.

Raul Krauthausen: Und so kannst auch du dich sofort bei Amnesty für Menschenrechte einsetzen.

Raul Krauthausen: Bring dich mit deiner Leidenschaft, Kreativität oder Expertise auf die für dich geeignete Weise ein. Schreibe Briefe oder Emails, in denen du drohende oder tatsächliche Folterungen anprangert. Setze dich online oder auf der Straße für bedrohte und verfolgte Aktivistinnen ein, veranstalte Aktionen zu weltweiten Kampagnen von Amnesty International und zeige so der Öffentlichkeit, wo Menschenrechte verletzt werden. Mach auf die Situation bedrohter Menschenrechtsverteidigerinnen aufmerksam, werde Teil der Bewegung.

Raul Krauthausen: Wir hoffen, ihr habt heute einen guten Einblick bekommen. Vielleicht weil ihr euch auf engagieren. Schaut nach! Nehmt Kontakt auf. Probiert es aus, wenn ihr etwas bewegen wollt. Alle wichtigen Infos findet ihr unter wiekannichwasbewegen.de oder in den Shownotes. Oder habt ihr noch Fragen? Schreibt uns einfach in die Kommentare oder an Podcast@wiekannichwasbewegen.de.

Raul Krauthausen: Wir freuen uns, wenn ihr uns weiter empfehlt, positiv bewertet und vor allem wenn ihr beim nächsten Mal wieder zuhört.

Über diesen Podcast

Wie kann ich was bewegen? Dein Weg in das politische Engagement mit Raul Krauthausen.

Du möchtest dich für einen guten Zweck engagieren, aber stehst vor der Frage, wo, und vor allem wie? In diesem Podcast stellt Raul Krauthausen in jeder Folge eine konkrete Initiative vor und zeigt dir mögliche erste Wege des politischen Engagements. Welche Menschen, Organisationen, Initiativen und Gruppen passen zu dir? Wie kannst du dort etwas bewegen? Finde es gemeinsam mit Raul Krauthausen heraus!

"Wie kann ich was bewegen?" ist eine Produktion von der part GmbH für digitales Handeln.

von und mit Raul Krauthausen, part GmbH für digitales Handeln

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